Genderblog.de - Rochus Wolff, Initiator des Blogs, im Gespräch mit Rosa Reitsamer.
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Rochus, kannst du dich bitte kurz vorstellen?
Ich bin Rochus Wolff, bin 37 Jahre alt und habe Germanistik und Geschlechterforschung in Deutschland und in England studiert. In England habe ich einen Abschluss in Women’s Studies gemacht. Derzeit lebe ich in Paris, bin Vater von zwei Kindern und betreibe seit März 2005 das http://genderblog.de, eines von drei Blogs (http://i.rrhoblog.de und http://buttkickingbabes.de/), die ich insgesamt habe.
Wie bist du zum Feminismus gekommen?
Das ist eine lange Geschichte und ich habe jetzt keinen klaren biografischen Bezugspunkt. Ich versuche das damit zusammen zu bringen, dass ich relativ früh gemerkt habe, dass ich selber nicht so ganz in das übliche Klischee von heteronormativer Männlichkeit passe. Zudem habe ich mir schon früh Gedanken zur Situation von Frauen in der Gesellschaft gemacht beispielsweise wie viele Frauen und wie viele Männer beispielsweise in einem Mathematikleistungskurs sitzen. Während meines Studiums hat sich diese Auseinandersetzung noch verstärkt, weil ich mit politischen Themen, feministischen Theorien und der Frauen- und Lesbenbewegung in Berührung gekommen bin und mich auch politisch engagiert habe. Daraus hat sich das Interesse entwickelt, mich auch wissenschaftlich weiterhin mit diesen Themen zu beschäftigen, auch mit der Frage, das politisch umzusetzen.
Beschäftigst du dich auch mit kritischer Männerforschung, also Masculinity Studies?
In einem wissenschaftlichen Kontext eher nicht. Das spielt für mich eine Rolle etwa in der Auseinandersetzung mit antifeministischen Positionen und maskulinistischen Theorien. Konkreter wird es im Bezug auf feministische Männerforschung und Männerarbeit, wenn es um meine persönliche Lebensführung geht.
Wie bist du zum Schreiben und Publizieren von Blogs gekommen? Du hast ja gesagt, du machst drei blogs, wovon genderblog.de eines ist?
Ich hab 2004 angefangen, ein eigenes Blog zu schreiben. Das war eher persönlich und hatte schon viel mit Gender zu tun. Anfang 2005 habe ich mich dann entschlossen, das in ein eigenes Blog auszulagern. Ich Idee war eigentlich, genderblog.de gemeinsam mit anderen Leuten zu machen, weil ein dezidiert feministisches Blog, das mehrere Leute betreiben, zur damaligen Zeit im deutschsprachigen Raum nicht existierte. Es gab natürlich feministische Medien, aber eben nicht in dieser Form. Ich hatte das Bedürfnis, ein Blog feministisch auszurichten und dann bin ich auf die Idee mit dem genderblog.de gekommen.
Die Idee war zuallererst und hauptsächlich eine gewisse Art von Gegenöffentlichkeit zu schaffen, weil mein Eindruck war, dass etwas fehlte. Mein Bedürfnis war es, etwas herzustellen und zu installieren, das die Möglichkeit bietet, aus einer feministischer Position relativ schnell etwas zu publizieren und Stellung zu nehmen zu Fragen, die einen interessieren oder die gerade diskutiert werden. Das war die Idee dahinter und erst mal auch das Ziel. Und gleichzeitig wollte ich zu dem Zeitpunkt auch auf Veranstaltungen hinweisen und Vernetzung ermöglichen, die aber nicht nur mit dem Netz zu tun hat, sondern auch darüber hinausgeht.
Du verstehst genderblog.de als eine Art von Gegenöffentlichkeit. Kannst du dazu etwas mehr sagen?
Gegenöffentlichkeit ist eigentlich negativ, stimmt aber insofern, weil in den Mainstream-Medien zwar in den letzten Jahren stärker feministische Themen aufgegriffen werden, es aber gibt eine starke Tendenz gibt, sie so darzustellen, dass sie diskreditiert und negativ beschrieben werden. Eine Gegenöffentlichkeit lässt sich mit feministischen Blogs gut herstellen, weil es schnell geht, man sie leicht im Internet findet und die Möglichkeit bieten, auf andere Sachen zu verweisen. Blogs sind relativ offen, sie laden gewissermaßen dazu ein, dass man selbst ein Blog betreibt und sie bieten die Möglichkeit, ohne großen Aufwand auf die Positionen, die im Mainstream vertreten werden, zu reagieren und zu kritisieren.
Das bringt mich genau zur nächsten Frage: Wie würdest du das feministische Selbstverständnis von genderblog beschreiben?
Das würde ich nicht so gerne machen. Es ist zwar so, dass ich quasi der Hauptautor bin und die meisten Texte schreibe, ich möchte aber nicht für das genderblog eine bestimmte feministische Position definieren. Die ursprüngliche Idee des genderblogs ist ja die, dass es mehrere Leute in ganz unterschiedlichen Ausmaß machen, also dass sich viele Leute gewissermaßen gleichmäßig beteiligen und ich hoffe, dass sich das auch noch umsetzt. Und da ist es mein Interesse, dass es eben auch unterschiedliche feministische Positionen gibt und diese auch zum Ausdruck kommen.
Es gibt ja ganz unterschiedliche Feminismen wie Black Feminism, Cyberfeminismus, Popfeminismus, postkolonialer Feminismus etc. Wie geht genderblog mit diesen unterschiedlichen Feminismen um? Gibt es Schwerpunkte? Oder gibt es feministische Strömungen, die dir oder euch besonders am Herzen liegen?
Ich kann da wirklich nur für mich sprechen. Ich bin sehr zögerlich, für andere Leute bei genderblog mitzusprechen, weil sie in vielen Punkten sehr unterschiedliche Positionen vertreten würden und sie unterschiedliche Sachen wichtig finden. Ich setze mich im Moment mit den Unterschiede zwischen dem „klassischeren“ Old-School-Feminismus der zweiten Welle und den Fragen, die sich aus einer queer-feministischen Perspektive ergeben, auseinander. Also im Grunde die ganzen politischen Diskussionen, die in den letzten 15 bis 20 Jahren diskutiert wurden, die sich aus poststrukturaler Theorie heraus ergeben. Ich weiß, dass andere Autoren oder Autorinnen vom genderblog sich eher für Gender Mainstreaming und Geschlechterrollen im Alltag interessieren.
Würdest du sagen, dass genderblog ein Beispiel für einen „Third Wave Feminismus“ ist?
Ich glaube, auf eine gewisse Art und Weise schon, weil das Blog das macht, was ich für den Third Wave Feminismus charakteristisch finde, nämlich einen dauernden Blick auf Kultur, kulturelle Repräsentationen, kulturelle Effekte von Geschlecht etc. zu werfen. Dabei fließt auch viel Theorie ein, die es im Second Wave Feminismus noch nicht gab. Alle, die bei genderblog mitschreiben, stehen irgendeiner Art und Weise mit diesen Theorien in Verbindung, weil wir nicht unabhängig von diesen Theorien denken und arbeiten können. Das wäre meine ziemlich vage Einstellung hinsichtlich Third Wave Feminismus, aber wie gesagt, ich bin sehr zögerlich, weil ich eigentlich nur von mir reden mag. Ich bin eher Third Wave, aber ich bin irgendwie in einer Zwischensituation, weil ich mich politisch eher dem Second Wave Feminismus zugeneigt fühle, den ich mit theoretischen und politischen Positionen der dritten Welle zusammenzubringen versuche.
Du hast gesagt, ihr seid mehrere, die das genderblog betreiben: Seid ihr ein Redaktionskollektiv?
Nein, es ist eher – und das ist, glaube ich, eines der Probleme, die wir haben – mehr ein loser Verbund an Leuten, von denen ich die wenigsten bisher leider persönlich getroffen habe. Im Moment ist es so, dass es vor allem zwei Männer sind, Nilo Vetter und ich, die bei genderblog schreiben und das Blog auch administrieren. Es gibt jetzt keinen Entscheidungsprozess darüber, wer was schreiben darf, kann oder soll. Im Grunde ist es so, dass jede Autorin und jeder Autor selbst entscheidet, was sie oder er schreiben möchte. Das einzige, was ich mache, weil ich als rechtlich Verantwortlicher im Impressum stehe, so schauen, was bei genderblog passiert. Es ist noch nicht vorgenommen, aber wenn da etwas wäre, was problematisch ist, dann würde ich unter Umständen mit der Autorin oder dem Autor Kontakt aufnehmen. Aber wie gesagt, das ist noch nie passiert und insofern habe ich keinen Bedarf kontrollierend einzugreifen. In unserer AutorInnen-Liste stehen im Moment 13 Leute und zusätzlich eine Handvoll GastautorInnen, wobei von den 13 Leuten einige schon seit längerer Zeit nichts mehr geschrieben haben. Es gibt einen etwas härteren Kern von etwa fünf Leuten, die regelmäßig schreiben.
Könnte man sage, dass genderblog ein dezentrales Netzwerk von Leuten ist, die nach Lust und Laune schreiben?
Genau. Ich glaube, das ist ein bisschen der Nachteil dieses Systems, weil alle Leute immer auch andere Dinge zu tun haben, zumal das alles ganz engagierte Frauen und Männer sind, und das führt dann eben leicht dazu, dass irgendwann einmal eine Weile lang niemand etwas schreibt. Die ganzen Leute, die schreiben, machen das ja in ihrer Freizeit und ohne Bezahlung. Wir haben inzwischen ein bisschen Werbung auf dem genderblog geschaltet und das Geld kriege im Moment ich. Davon werde ich aber keinesfalls reich (lacht), sondern bezahle den Webspace und am Ende bleibt, wenn es gut geht, noch ein bisschen etwas für den Administrationsaufwand übrig. Ich hatte eine Zeit lang versucht, da ein bisschen mehr zu machen, aber letzten Endes ist der Aufwand da sehr hoch und der Erfolg eher gering. Es ist halt immer noch ein Projekt für Liebhaberinnen und Liebhaber.
Wie sieht die Öffentlichkeitsarbeit von genderblog.de aus? Macht ihr so etwas wie Öffentlichkeitsarbeit?
Gute Frage. So richtig dezidiert Öffentlichkeitsarbeit machen wir im Moment nicht. Ich habe eine Zeitlang mit Postkarten und Buttons bei Veranstaltungen, bei denen ich sowieso war, auf das genderblog hingewiesen. Wir haben eine Facebook-Seite und sind bei Twitter. Ansonsten passiert im Moment nicht viel und so richtig viel ist da auch nie passiert. Es war eher so, dass wir versucht haben, auf genderblog in unserem Bekanntenkreis aufmerksam zu machen und eben dann eben minimal mit Postkarten und Buttons verteilen. Aber für alles andere war dann die Energie oder das Interesse doch nicht da, dass wir so viel Zeit investieren. Zumal es schon so ist, dass sich das genderblog nach einer Weile ganz gut verselbstständigt hat. Wenn man jetzt nicht die großen Maßen erreichen will, was natürlich schön wäre, aber jetzt auch nicht das Hauptziel ist, hat sich das genderblog in der feministischen Blogossphäre schon präsentieren können, und da gibt es ja eine Reihe von Blogs, die aktiv sind und die sehr viel machen wie etwa Mädchenmannschaft oder Mädchenblog. In dieser Wolke taucht das genderblog auch auf.
Kooperiert genderblog.de auch mit anderen feministischen Medien?
Kooperationen funktionieren viel über persönliche Kontakte zum Beispiel über gemeinsame Veranstaltungen, bei denen wir gemeinsam auf dem Podium sitzen wie re:publica in Berlin. Die Kooperationen funktionieren oft so, dass man sich gegenseitig auf Sachen hinweist oder über Sachen schreibt oder auf die Sachen hinweist, die andere Leute im eigenem blog machen. Aber das geht jetzt nicht so weit, dass wir konkrete politische Projekte gemeinsam stemmen wollen. Ich publiziere im Missy Magazin und insofern ist da ein gewisses Maß an Kooperation da.
Könnte man sagen, dass es ein loses Netzwerk zwischen Mädchenmannschaft, Mädchenblog, Missy Magazin, also feministische Medien, die in den letzten Jahren begonnen haben, existiert?
Ja klar, das gibt es auf jeden Fall. Wir lesen unsere Artikel gegenseitig, wir nehmen uns gegenseitig wahr, wir verweisen aufeinander, und wenn möglich, treffen sich die Leute auch mal bei Veranstaltungen wie zum Beispiel bei der Veranstaltung re:pubica in Berlin. Da gab es ein von der Mädchenmannschaft organisiertes Treffen der „Girls on Web Society“, bei dem sich viele Leserinnen und Leser der Mädchenmannschaft getroffen haben. Da tut sich eine ganze Menge und das finde ich auch sehr schön, dass das passiert.
Wie würdest du die Leute hinsichtlich Alter, soziale Herkunft, Bildungsstatus beschreiben, die in diesem losen Netzwerk drinnen sind?
Das ist schwierig, eine allgemeine Aussage zu treffen, weil die Leute, die ich treffe und die ich wahrnehme dem entsprechen, wie ich auch bin. Aber es sind vor allem Frauen zwischen 25 und 30 Jahren, viele im Studium oder mit Hochschulabschluss, also weiße Mittelklasse. Ganz klassisch und ganz problematisch. Das war interessanterweise auch Thema beim Treffen der „Girls on Web Society“ auf der re:publica-Veranstaltung, dass es eine gewisse Homogenität gibt, die nicht ganz unproblematisch ist.
Gibt es eigentlich feministische Medien, die dich inspirieren oder die dich inspiriert haben?
Ja, natürlich, wie wahrscheinlich alle, die in den letzten Jahren mit feministischen blogs angefangen haben, hab mich feministing.com inspiriert. Das war, was meine Sozialisation im Kontext feministischer Blogossphäre angeht, das wichtigste. Es gibt natürlich eine ganze Reihe anderer, aber das war das wichtigste. Feministing.com ist ein amerikanisches blog, das sich in den letzten Jahren ziemlich entwickelt hat und nach wie vor das wahrscheinlich größte feministische Blog hinsichtlich der LeserInnenzahlen und Reichweite ist. Und was deutsche feministische Medien angeht, hat mich letzten Endes die Emma beeinflusst, weil - obwohl ich sie nicht sehr viel gelesen habe und politisch nicht immer auf einer Linie bin -, sie einfach wichtig ist und wahrgenommen wird.
Wo siehst du Herausforderungen in der feministischen Medienproduktion? Oder anders gefragt: Gibt es für dich Herausforderungen?
Unbedingt, zum einen in der Frage, wie können wir aus dem Dunstkreis unserer feministischen Blogossphäre hinausgehen, sowohl im Sinne von Produktion als auch im Sinne von Rezeption. Wie erreichen wir Leute, die nicht von selber draufkommen sich ein feministisches Blog anzugucken? Das andere ist für mich tatsächlich, daß feministische Medien für mich kein Selbstzweck sind, zumindest nicht ausschließlich, womit ich zu der Frage nach der politischen Umsetzung komme. Wie kann man aus der Medien- und Kommunikationsarbeit, die man macht, auch politische Effekte ziehen? Darauf habe ich auch keine umfassenden Antworten gefunden, aber danach sollten wir suchen!
Vielen Dank für das Interview.