Ladyfest Wien: Ein Interview mit Sushila Mesquita von Elke Zobl via Skype, Februar 2010 (gekürzte Version)
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Location
Könntest du dich bitte kurz vorstellen?
Ich wohne in Wien, habe Philosophie und Geschlechterforschung studiert, unterrichte gerade an der Politikwissenschaft als Lehrbeauftragte und mache sonst relativ viele Projekte im popkulturellen Bereich. Ich habe gerade ein Radioprojekt für Mädchen laufen und bin bei dem queerfeministischen DJ-Kollektiv Quote dabei, habe in vielen Bands Bass und Schlagzeug gespielt und organisiere auch hin und wieder Veranstaltungsreihen im Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung in Wien.
Du warst bei vier Ladyfesten dabei, Olympia 2000, Hamburg 2003, Wien 2004 und 2005 und du hast das Ladyfest Wien 2004 mitorganisiert. Wie bist du dazu gekommen, das erste Ladyfest in Olympia zu besuchen?
Also ich war ja schon lange Fan von Queercore- und Riot Grrrls Bands und habe auch im Netz immer wieder so rumgeschaut, im Nordwesten der USA hauptsächlich und bin dann übers Internet, gemeinsam mit Freundinnen darauf gestoßen, dass es so etwas wie Ladyfest gibt.
Und wie war deine Erfahrung dort? Wie hast du das Ladyfest Olympia erlebt?
Also es war echt ein Wahnsinn in diese Stadt zu kommen - Olympia, von der wir vorher schon so viel gehört haben und die ganzen Bands. Bereits auf der Fahrt von Seattle haben wir einige Ladyfesterinnen getroffen und wir haben dort auch irrsinnig schnell Kontakte geknüpft und die Atmosphäre in der Stadt war einfach irre. Während dieser einen Woche war diese Stadt quasi besetzt und die Stimmung war großartig. Schöner kann man es sich nicht vorstellen, glaube ich.
Und im Vergleich dazu, wie hast du die Ladyfeste in Wien und in Hamburg erlebt?
Also es war schon ähnlich von der Grundstimmung her, es war natürlich viel aufregender in Olympia mit dem ganzen Kontext, weil in Hamburg waren einige Leute, die ich schon gekannt habe und in Wien sowieso, aber ich finde, dass gerade diese Stimmung doch sehr herüber geschwappt ist.
Und in Bezug auf das Publikum, hat es da einen großen Unterschied gegeben?
Also ich meine in den USA, da war es schon speziell diese DykePunk Scene, die da vor Ort war, die sind auch aus allen Teilen der USA angereist, relativ junge Frauen und hauptsächlich Frauen und Transpersonen. Und gerade in Hamburg war es vom Publikum her noch einmal anders. Das hat sicher auch mit der Location zu tun, wo das stattgefunden hat, das war nämlich auf einem Schiff und das Stammpublikum dort ist um einiges heterogener. Also das hat schon für Reibungsflächen gesorgt. Und in Wien haben wir sehr darauf geachtet und uns überlegt, wie wir die Räume selbst besetzen und gestalten können, so dass klar ist, was da abgeht und dass klar ist, dass wir an diesen Orten bestimme Sachen nicht dulden, wie eben rassistische, sexistische, homophobe Übergriffe und so weiter.
Vielleicht kannst du noch ein bisschen mehr über diese Raumstrategien sprechen, die ihr einerseits diskutiert und andererseits auch umgesetzt habt und vielleicht kannst du auch etwas zu dem Begriff „Ladyspace“ sagen?
Bereits im Vorfeld haben wir uns viele Gedanken über uns selbst als Gruppe gemacht und auch über unsere Einladungspolitik, weil uns aufgefallen ist, dass wir eine relativ homogene Gruppe sind, von Leuten, die hauptsächlich aus einem Uni-Kontext kommen, sehr wenige mit migrantischem Hintergrund usw. Wir haben uns relativ spät die Frage gestellt, warum diese Orgagruppe so ausschließend war und ist und daran anknüpfend haben wir uns überlegt, wie wir das Ladyfest selbst verändern können und haben dann zum Teil explizite Einladungen und Vernetzungsversuche unternommen. Was wir konkret gemacht haben, war z.B. dieses Selfsecurity auf der einen Seite und diese Genderparcours. Wir haben versucht mit Flyern, Transparenten und auch durch eine Intervention, da sind wir alle an einem Abend auf die Bühne gegangen um noch ein paar Sachen los zu werden, diesen Raum einzunehmen, zu gestalten und unsere wenigen Regeln zu formulieren. Und Ladyspace wurde, glaube ich, als eigene Gruppe gegründet. Wir haben uns die Frage der Raumpolitiken noch einmal verstärkt gestellt und wir haben dann immer wieder Konzerte organisiert und versucht, das was wir aus den Ladyfesten gelernt haben, reinfließen zu lassen.
Welche dieser Strategien haben funktioniert und welche weniger?
Also ich glaube, dass diese Sachen beim Ladyfest relativ gut funktioniert haben, weil wir einfach sehr viele waren. Es waren sehr viele BesucherInnen da und ich hatte das Gefühl, das hat ganz gut gegriffen. Eben so etwas wie die Open Stage. Es gab ja in Wien schon zuvor Frauenbandenfeste, wo auch viele Schranken schon einmal gefallen sind. Es gibt zwar einige Strategien, die sehr gut funktioniert haben oder auch immer noch funktionieren, aber die sind immer sehr kontextspezifisch und Situationen können ganz, ganz schnell kippen.
Wie siehst du den Netzwerk-Aspekt einerseits auf lokaler Ebene und andererseits auf transnationaler Ebene, nachdem Ladyfeste in so vielen verschiedenen Ländern organisiert werden und das schon seit zehn Jahren?
Also da hat sich auf beiden Ebenen recht viel getan, gerade was Booking-Sachen angeht. Gerade für feministische MusikerInnen ist es, glaube ich, viel leichter geworden, Auftrittsorte zu kriegen oder für KünstlerInnen usw. Es werden auch durchaus inhaltliche Sachen weitergegeben, eben wie diese Frage des Raums und die Finanzierbarkeit von Ladyfesten. Da gibt es ja eine Reihe von Mailinglisten, wie Ladyfest Europe, und ich hab ja auch mit Schweizerinnen viel Kontakt diesbezüglich. Also ich finde, da findet schon ein Austausch statt, es könnte allerdings natürlich auch noch mehr sein.
Und auf der lokalen Ebene, könntest du da bitte kurz beschreiben, welche Netzwerke sich da ergeben haben oder wie die Vernetzung aussieht, während der Ladyfeste und auch im Nachfeld?
Also ich meine, wie die Idee entstanden ist, überhaupt so etwas wie ein Ladyfest in Wien stattfinden zu lassen, da haben wir einfach mal so ein Rundmail verfasst und waren sehr überrascht wie viele Leute sich gemeldet haben bzw. zum ersten Treffen gekommen sind, das waren ungefähr 50. Und wir haben uns dann im Herbst das erste Mal getroffen und das war schon ziemlich verblüffend und ich habe durchaus einige neue Leute kennengelernt, vor allem aus dem Kunstbereich waren viele da und aus der autonomen Szene und sonst gab es ganz viele aus dem universitären Bereich, aus den Gender Studies usw., die ich schon gekannt hab, aber nicht unbedingt so gut.
Und welche Rolle spielt für dich die virtuelle Vernetzung?
Das war für mich gerade mit Olympia sehr wichtig, mit dem ersten Ladyfest, weil ich sonst auch gar nicht davon erfahren hätte und mittlerweile bin ich da leider relativ ausgeklinkt, ich habe auch kein Internet zuhause, also keine Ressourcen. Ich bewege mich schon in solchen Netzwerken, aber die haben jetzt nicht mehr so einen wahnsinnigen Stellenwert.
Ladyfeste werden ja oft als Musikfestivals oder vorwiegend als Musikfestivals rezipiert und es wird oft auch gesagt, dass die Musik und die Konzerte die meisten Leute anziehen. Wie siehst du das auch in Bezug auf das diskursive Programm, hinsichtlich der Workshops?
Ich finde es ganz wichtig, dass Ladyfeste nicht nur Musikfestivals sind, weil es sich z.B. während eines Konzerts nicht gut plaudern lässt und dieser Austausch von Erfahrungen und Informationen ist für mich ganz zentral. Deswegen haben gerade Workshops oder Vorträge oder Diskussionsrunden einfach auch einen sehr großen Stellenwert für mich.
Nachdem ja fast niemand im Organisationsteam bezahlt wurde, wie seid ihr mit dieser Problematik der Selbstausbeutung umgegangen?
Also ich denke, dass diese ehrenamtliche Organisation ziemlich schnell Konsens war. Was weitaus schwieriger war, war die Bezahlung der KünstlerInnen, WorkshopleiterInnen usw. Also ich meine, welche Arbeiten werden wie belohnt und bewertet? Ist dann Organisationsarbeit weniger wert, wenn das nicht bezahlt wird? usw. Wir haben sehr, sehr lange darüber gesprochen und ich glaube, wir haben keine Lösung gefunden. Wir haben einfach gesehen, dass uns Geld übrig bleibt, weil wir durch die Solifeste das Ladyfest schon finanziert hatten. Das wussten wir natürlich im Vorfeld nicht und haben dann das Geld gespendet, was übrig geblieben ist.
Welche Stärken und Schwächen siehst du am Ladyfest?
Ich finde, dass Ladyfeste nach wie vor ziemlich weiß sind. Ich meine, die Riot Grrrl Bewegung war und ist auch sehr, sehr weiß und das hat unterschiedliche historische Gründe.
Es wird ja in diesem Kontext immer wieder das Wort Lady und Ladyfest als weiß besetzt kritisiert. Findest du diese Begriffe problematisch oder findest du, dass sie als Überbegriffe funktionieren?
Ich bin da auch ein bisschen zwiegespalten, eben dass Lady so ein weißer und auch ein klassenspezifischer Begriff ist und gleichzeitig finde ich diese Aneignungsversuche auch sehr spannend. Und ich kann mir vorstellen, dass man sich sehr gut anschauen muss, wer diesen Begriff prägt und sich aneignet und für wen eine Aneignung nicht mehr möglich ist, weil dieser Begriff einfach zu sehr in eine Richtung tendiert. Ich glaube aber, dass das im deutsprachigen Raum wieder ein bisschen anders ist, also dass die Lady hier natürlich auch als Weiße imaginiert wird, aber ich glaube die Whiteness der Lady ist hier nicht so im Bewusstsein [der Lady] verankert.
Wie denkst du, dass sich Ladyfeste noch weiterentwickeln könnten?
Also ich hatte ja leider ein bisschen die Befürchtung, dass die Luft draußen ist, gerade weil es in den letzten Jahren nicht mehr so viele Ladyfeste gab und die Ladyfest.org Seite ist auch schon seit 2005 nicht mehr upgedatet worden. Ich habe das Gefühl, dass sich da möglicherweise andere Organisationsformen daraus weiterentwickeln oder bilden. Ich glaube, dass das Wissen auf keinen Fall verloren geht und auch die Netzwerke nicht, aber dass es möglicherweise jetzt nicht mehr unbedingt unter dem Namen Ladyfest weitergehen muss.
Danke für das Interview!