Illustration © Nikki McClure

contentarea top menu

Verena Reygers, Redakteurin bei maedchenmannschaft.net, im Gespräch mit Rosa Reitsamer

type=interview
Topic: 
Activism
Do-It-Yourself
Girls and young women
Grassroots media in Europe
Teaser Image: 

Location

Germany

Mädchenmannschaft.net (http://maedchenmannschaft.net/) wurde von Susanne Klingner, Meredith Haaf und Barbara Streidl, den Autorinnen des Buches „Wir Alphamädchen. Warum Feminsmus das Leben schöner macht“ (2008) gegründet und besteht derzeit aus etwa einem Dutzend Autor_innen, die regelmässig Artikel und News schreiben. Eine der Redakteurinnen ist Verena Reygers. Sie verabredete sich mit Rosa Reitsamer am 8. März 2010, dem internationalen Frauentag, zu einem Skype-Interview.

Verena, kannst du dich bitte kurz vorstellen?
Ja, ich bin Verena Reygers, arbeite als Journalistin in Hamburg und bin seit anderthalb Jahren Autorin bei mädchenmannschaft.net. Ich schreibe bei Mädchenmannschaft über feministische Themen, aber auch für andere Medien schreibe über feministische Sachen, schwerpunktmäßig über Musik, Popkultur und Sex-Themen.

Würdest du dich als Feministin bezeichnen?
Ja, auf jeden Fall. Auch auf die Gefahr hin schief angeguckt zu werden, aber das ist ja der Vorteil, dass man dann einfach auch Aufklärungsarbeit leisten kann und ich dann sagen kann, was für mich persönlich Feminismus bedeutet.
Feminismus tritt für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Weder Frauen noch Männer sind die Besseren, sondern es geht um Toleranz gegenüber den verschiedenen Abstufungen von Geschlecht, die es da gibt. Ich finde, dass jedem die gleiche Möglichkeit gegeben werden sollte, sich zu entfalten, egal ob beruflich oder privat, unabhängig seines Geschlechts. Und da sind ja leider die Chancen oftmals noch nicht gegeben, ob das jetzt das geringere Lohneinkommen von Frauen ist oder Frauen weniger häufig in Führungspositionen sitzen oder ob es um Rollenzuschreibungen geht, die viel subtiler ablaufen.

Wie bist du dann zum Schreiben und Publizieren gekommen?
Ich hab immer nebenbei geschrieben. Ich hab früher in der Musikbranche gearbeitet und ein Kollege hat ein HipHop-Fanzine gegründet und meine Kollegin und mich als Autorinnen verpflichtet. Das war überhaupt gar kein Thema, dass wir Frauen waren, wo ja gerade die HipHop-Kultur sehr männlich dominiert ist, auch von publizistischer Seite. Bei diesem Fanzine haben wir mitgeschrieben und dadurch kam ich zum Musikjournalismus und das hat sich weitergezogen, auch während meines Studiums. Ich hab nach der Musikbranche Geschichte in Hamburg studiert und habe mich dort viel mit Sexualitätsgeschichte und Women‘s Studies beschäftigt und habe auch meine Magisterarbeit in dem Bereich geschrieben. Nebenbei habe ich weiterhin über Musik geschrieben und als es dann zum Kontakt mit Mädchenmannschaft kam, hab ich da ein Forum gefunden, mich zu diesen Dingen nochmals äußern zu können. Seitdem ich hauptberuflich als Journalistin arbeite, ist es auch mein Bestreben, Themen, die mich interessieren, in anderen Medien zu platzieren, also über Mädchenmannschaft hinaus Themen zu positionieren und diese auch in Mainstream-Medien zu besetzen. Es bringt ja nichts, wenn wir Feministinnen uns alle einig sind, und die entsprechenden Blogs und Zeitungen lesen, aber der Großteil der Menschen das nicht wahrnimmt.

Was ist die Idee von Mädchenmannschaft?
Die Idee ist, Feminist_innen ein Forum zu bieten und zwar ein leicht umsetzbares Forum, was mit dem Internet das Einfachste ist, weil es kostensparender ist und weil es Leute nochmals anders erreicht als Printmedien, weil sich niemand die Inhalte kaufen muss. Mädchenmannschaft ist die Folge des Buches „Wir Alphamädchen“ und die Idee war und ist, Entwicklungen und Lösungen voranzutreiben und nicht nur den Status Quo zu beklagen. Das Blog ist eine dankbare Gelegenheit, jeden Tag auf Neuigkeiten und Entwicklungen aufmerksam zu machen, egal ob sie negativ oder positiv sind.

Es gibt ja sehr viele Feminismen vom Black Feminism bis hin zum Popfeminismus. Wie geht ihr all diesen unterschiedlichen Feminismen um?
Ich kann da jetzt nicht für alle bei der Mädchenmannschaft sprechen, weil wir eine ziemlich heterogene Truppe sind. Wenn wir alle an einem Tisch sitzen würden, würde wahrscheinlich auch jede_r etwas anderes sagen. Aber das ist auch der große Vorteil, dass diese ganzen differenzierten Richtungen und Meinungen zusammengefasst werden, weil im Grunde allen Feminismen die Forderung nach Gleichberechtigung gemein ist.
Ein Vorwurf, der die Mädchenmannschaft oft ereilt ist, dass wir alle heterosexuell, weiß und ohne Migrationshintergrund sind. Dass sexuelle Orientierung, ethnische und soziale Hintergründe auch eine Rolle spielen und miteinbezogen werden, steht außer Frage, nur: Das ist nicht allein unsere Aufgabe. Wir können nicht alles immer auf tausend Sachen ausweiten. Wir tun uns aber gerne mit anderen zusammen, die dann für ihren Bereich mitkämpfen. Es ist aber klar, dass eine Afroamerikanerin oder eine junge Deutschtürkin oder eine homosexuelle Frau die für sie speziellere Richtungen verfolgen als wir.

Gibt es feministische Strömungen, die dir sehr am Herzen liegen?
Da ich mich am Popfeminismus, auch thematisch, orientiere, ist das natürlich eine Sache, die mich persönlich betrifft, weil ich das Gefühl habe, es muss mehr Frauen geben, die Popkultur mittragen und die auch in der Popkultur an Einfluss gewinnen, um auch dort Geschlechternormen aufzubrechen. Ansonsten mag ich eigentlich auch Simone de Beauvoir gerne. Und dann ist da noch der Feminismus der 70er Jahre, der auf der Straße stand und sehr viel für uns erreicht hat, der aber hierzulande leider oft mit einem negativen Bild der Feministin als Männerhasserin und Sexnegative assoziiert wird. Was ich schade finde, und wo wir uns als junge Feministinnengeneration auch schon oft vorwerfen lassen mussten, unser Aktivismus sei Wellness-Feminismus, weil er zuhause vor dem Rechner stattfände und viel zu zahm aufträte, statt zornbebend auf die Straße zu gehen. Aber eigentlich mag ich diesen konstruierten Generationenkonflikt nicht sonderlich, weil wir im Grunde alle für das selbe kämpfen. Und in den akademischen Feminismus mit Butler und Co einzusteigen, das ist für mich oft schwierig, weil mir diese Sachen tatsächlich oft handlungsfremd erscheinen, obwohl ich die theoretischen Grundlagen schon wichtig finde. Also ich bevorzuge eine Mischung aus Auf-die-Straße-Gehen, Krawall-Machen, Forderungen stellen und ein Gespür für theoretische Diskurse und Strukturen.

Mädchenmannschaft besteht aus einem Redaktionskollektiv. Kannst du ein wenig über die Arbeitsteilung im Redaktionskollektiv sprechen?
Wir sind acht bis zehn feste Autor_innen, zwei davon Männer, und darüber hinaus Kolumnist_innen. Wir haben zum Beispiel ein Mutti-Blog oder eine EU-Parlaments-Abgeordnete, die über Neues aus Brüssel schreibt. Das Hauptautor_innenteam sind Frauen und Männer über ganz Deutschland verteilt. Wir kommunizieren über einen E-Mail-Verteiler, um Themen abzusprechen, aber eigentlich entscheidet jede sehr selbstbestimmt. Also eigentlich postet jede_r eigenverantwortlich, nur bei Sachen, wo Unsicherheit besteht, das besprechen wir dann. Zum Beispiel haben wir viel zur Islamdebatte kommentiert, das sind so heiße Eisen, wo wir uns absprechen.
Wir haben darüber hinaus noch andere Aufgaben: Eine kümmert sich um Werbung, die nächste ums Merchandising, die dritte um Finanzen usw.

Könnt ihr euch bezahlen für eure Arbeit?
Überhaupt nicht, gar nicht. Es ist alles ehrenamtlich und wir verdienen gar nichts. Aber ich nehme halt wahnsinnig viel mit und wir werden auch zunehmend Expertinnen und als solche zu Kongressen und Vorträgen eingeladen und das sind Sachen, für die wir Honorare bekommen, aber mit der Internetseite verdienen wir kein Geld.

Wie macht ihr auf maedchenmannschaft.net aufmerksam? Habt ihr eine eigene Werbekampagne oder gibt es eine gewisse Strategie von Verlinkung oder andere Möglichkeiten, die ihr aufgreift?
Die beste Werbung war tatsächlich am Anfang das Buch „Wir Alpha-Mädchen“, das auch im Mainstream Aufmerksamkeit bekommen hat. Dadurch war es natürlich leichter auf die Mädchenmannschaft-Seite hinzuweisen. Wir arbeiten viel mit Verlinkung, weil es unser Interesse ist, die weibliche Blogger-Sphäre nach vorne zu bekommen. Wir haben bei facebook die Gruppe "Girls on Web Society" ins Leben gerufen, weil uns aufgefallen ist, dass sehr viele männliche Blogger wahrgenommen werden, aber kaum Frauen. Es gab im Januar 2010 die Wahl zum Bloggermädchen 2009. Das sind Sachen, die in anderen Medien gefeatured werden und dadurch bekommen wir auch traffic.

Kooperiert ihr auch mit anderen feministischen Medien?
Wir kooperieren oft mal für Aktionen wie etwa mit Missy Magazine. Da haben wir eine Seite für politische Nachrichten. Sie heißt "Neues von der Gleichberechtigung", in der Beiträge von uns erscheinen. Letztes Jahr hatten wir in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin ein Gender-Happening, bei dem wir als Kooperationspartner aufgetreten sind und auch eine eigene Veranstaltung hatten. Und dann eben die bereits angesprochenen Gruppen auf Facebook für die Vernetzung weiblicher Bloggerinnen. Sie müssen sich auch nicht alle als Feministinnen sehen. Es geht einfach um Women Power.

Wo siehst du die Herausforderungen für feministische Medienproduktion?
Ich glaube, die Herausforderung liegt darin, aus der Nische zu kommen. Damit meine ich, dass man nicht als feministisches Medium wahrgenommen wird, sondern, dass feministische Themen in den Mainstream-Medien behandelt werden, ohne dass sie eine Sonderstellung einnehmen. Dass Beiträge, die auf Mädchenmannschaft stehen, auch ein Thema für Spiegel, Süddeutsche, FAZ usw. werden. Dass sie Themen nicht als „Frauen-Thema“ behandelt werden, sondern auch im Politik- oder Wirtschaftsteil vorkommen wie zum Beispiel der Equal-Pay-Day. Das ist eine Herausforderung.

Vielen Dank für das Interview.

Interviewee: 
Verena Reygers
Interviewer: 
Rosa Reitsamer
Show on calendar: 
no
Image: