Ladyfest Hannover 2006
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"LADYFEST HANNOVER - ÜBER UNS
In Hannover hat sich eine Gruppe zusammengefunden, die hier erstmalig ein Ladyfest organisiert. Dieses soll am ersten Septemberwochenende (1.-3.9.2006) 2006 stattfinden. Unsere Veranstaltung sowie unsere Gruppe haben einen linksradikalen, feministischen und antisexistischen Anspruch. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der vielfältige Lebens- und Liebesweisen gleichwertig nebeneinander stehen können, in der die heterosexistische Zweigeschlechtlichkeit nicht als Norm gilt.
Für unser Ladyfest haben wir uns als Schwerpunkt gesetzt, Freiräume für Frauen, Mädchen, Lesben, Transgender, Inter- und Transsexuelle, also für alle Ladiez zu schaffen, ihnen eine Plattform zu bieten und Möglichkeiten zum Austausch und zur Vernetzung zu geben. Wir haben uns dazu entschieden, dass unser Ladyfest exklusiv für oben genannte Ladiez sein wird.
Dies ist für uns ein politisches Mittel, um wieder eine Stärkung feministischer Strukturen voranzutreiben, indem auf dem Ladyfest ein Raum für eine feministische Auseinandersetzung zunächst unter Ladiez entstehen soll. Uns ist klar, dass auch Männer, Schwule oder andere, die sich nicht eindeutig zuordnen wollen, einen alltäglichen Kampf im System der Zweigeschlechtlichkeit bewältigen müssen und dass nicht alle Frauen in gleichem Maße und von den gleichen Macht- und Herrschaftsstrukturen betroffen sind. Deswegen wird es auf unserem Fest mehrere Workshops geben, die die Verwobenheit von Macht- und Herrschaftsstrukturen genauer in den Blick nehmen. Dass wir über die Exklusivität für Ladiez Ausschlüsse reproduzieren ist ein Problem, das wir bewusst in Kauf nehmen, um vor lauter Vielfalt nicht bestehende Machtstrukturen aus dem Blick zu verlieren.
FINANZIERUNG
Da es sich bei unserem Ladyfest um eine linksradikale Veranstaltung handelt, wollen wir uns nicht von der Stadt und Sponsoren finanzieren lassen und somit abhängig machen. Deshalb müssen wir unsere Kosten möglichst gering halten und können keine Honorare an Musikerinnen, Referentinnen oder Künstlerinnen auszahlen. Wir wollen allerdings die Fahrtkosten erstatten und Unterkunft und Verpflegung als Selbstverständlichkeit bieten, weshalb wir ein gewisses Budget benötigen.
Um die Eintrittspreise möglichst niedrig zu halten, damit auch viele Ladies teilnehmen können, sind wir auf Spenden angewiesen.
HERSTORY
In Washington D:C. begannen Anfang der neunziger Jahre Frauen aus der Punk- und Grunge-Szene angesichts der männlich dominierten Musikszene, in der Frauen auf die Rollen von Konsumentinnen, Groupies oder Girlfriends reduziert waren, Strategien gegen alle Formen von Sexismus zu entwickeln. So schufen sie sich selbst Möglichkeiten für die Repräsentanz ihrer eigenen Musik, Kunst, etc. und gründeten ihre eigenen Fanzines. Sie ermutigten andere Frauen, sich ebenfalls Fähigkeiten und (Frei)-Räume anzueignen. Im Zuge dieser Politisierung, die sich Feminismus sowie Kritik am kapitalistischen Verwertungszwang als Ausgangspunkte setzte, entstanden zahlreiche Bands wie u.a. Bikini Kill. Im Laufe der neunziger Jahre wurde diese sogenannte Riot-Grrrl Bewegung zunehmend, insbesondere von den Mainstream-Medien, vereinnahmt: die Grrrls wurden zu koketten Girlies degradiert und das Politische in der Bewegung ignoriert.
Hierzulande ist die Riot-Grrrl Bewegung insgesamt nur sehr wenig bekannt geworden. Als Reaktion auf diese miserable Umwertung der Bewegung entrissen die amerikanischen grrrls schließlich den Begriff “Lady” seiner bisherigen Bedeutung und eigneten sich diesen für ihre Zwecke an: “Lady” im Sinne einer Respekt erwartenden Person. Ob Menschen nun als Frauen, Lesben, Transgender oder Transsexuelle definiert werden oder sich selbst definieren, soll keine Rolle spielen um auf Ladyfesten mitzuwirken.
“Lady” wurde an die Leerstelle dessen gesetzt, was als das Gemeinsame aller als “weiblich” definierten Menschen gelten kann: Ihre Unterrepräsentanz in den männerdominierten Popkultur-, Musik-, Kunst- und Literaturszenen sowie in großen Teilen der restlichen Gesellschaft.
Daraus folgte das erste Ladyfest, das im Jahr 2000 in Washington D.C. stattfand. Seitdem werden überal auf der Welt zahlreiche Ladyfeste organisiert.
DISKUSSIONSVERHALTEN AUF DEM LADYFEST
Wir wollen einen antipatriarchalen Raum schaffen, in dem sich Frauen, Lesben, Trans bilden, austauschen und organisieren können. Dazu gehört für uns als Ladiez in Hannover, dass bei Diskussionen versucht wird, kein hegemoniales Diskussionsverhalten zu reproduzieren. Wir wünschen uns von jeder, dass sie versucht darauf zu achten, weder laute noch leise Formen dominanten Redeverhaltens zum Ausbau der eigenen Machtposition zu nutzen. In Anlehnung an einen Text der AG Gender Killa aus Berlin wollen wir hier noch mal expliziter machen, was wir unter dominantem Diskussionsverhalten zusammenfassen.
Zu den lauten Praktiken gehören für uns solche Handlungen, die Menschen angreifen oder in ihren Freiräumen einschränken, wie zum Beispiel das Unterbrechen oder Disqualifizieren von Redebeiträgen durch Kommentare, Grinsen, Augenverdrehen, das explizite Beleidigen oder Herabsetzen anderer. Ironie und aggressiver Ton sind Mittel unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen und Räume für diejenigen zu schließen, die nicht die Souveränität besitzen, dem selbstbewusst entgegen zu treten.
Unter "leisen Praktiken" verstehen wir solche, die andere nicht direkt angreifen und einschränken, aber der eigenen Selbstdarstellung dienen. Dazu gehören vor allem dozierender Tonfall und ausufernde Länge von Rede- oder Fragebeiträgen. Checkerinnentum und rationalistische Wissenschaftlichkeit bilden Mittel, mit denen die eigene Meinung zur objektiv allgemeingültigen konstruiert und vor Kritik und Nachfragen geschützt wird. Ebenso sind Belehrungen anderer ein beliebtes Mittel der Selbstinszenierung. Hierzu zählt zum einen der Drang, andere beständig zu ergänzen, und zwar nicht mit Informationen oder Tipps, sondern mit ausschweifenden selbstreferentiellen Monologen. Zugleich rechnen wir dazu die Unfähigkeit selbst Kommentare oder Tipps anzunehmen und diese stattdessen mit der Geste des "ja das habe ich auch schon gewusst" abzutun.
Diese Praktiken sind anders als "laute Praktiken" schwieriger zu fassen und explizit zu machen - sie bilden daher das bevorzugte Mittel zur Demonstration von Dominanz.
Als Moderatorinnen werden wir versuchen bei entsprechenden Vorfällen zu reagieren. Allerdings sehen wir die Verantwortung für gegenseitige, nicht repressive Kommunikation bei allen und vor allem bei den Sprechenden. Denn gerade "stille Praktiken" entziehen sich zumeist dem Zugriff durch die Moderation. Deshalb ist es wichtig, dass alle darauf achten, Redebeiträge kurz und in verständlicher Sprache zu halten und sich Polemisierungen u.ä. zu verkneifen. Desweiteren soll aufgepasst werden, dass in Diskussionen bevorzugt die zu Wort kommen, die sich bis dahin weniger eingebracht haben. Immer sollte Raum für Fragen sein und sich bemüht werden, diese verständlich zu beantworten
Nichts spricht dagegen, sich über Themen zu streiten. Wichtig dabei ist uns, dass Kritik nicht an Personen, sondern an Argumenten und Handlungsweisen festgemacht wird." (http://www.ladyfest-hannover.de/index2.htm)