Illustration © Nikki McClure

contentarea top menu

Antifee 2012: Festival für feministische Gesellschaftskritik

type=digital_archives

The Antifee Festival 2012 took place in Göttingen (Germany) from 15 - 16 June 2012

Statement:
Am 15. und 16. Juni 2012 findet auf dem Göttinger Uni-Campus das diesjährige Antifee statt. Das „Festival für feministische Gesellschaftskritik“ hat den Anspruch Kultur, Politik und Party zu verbinden und bietet jedes Jahr aufs Neue bis zu 3000 Besucher*innen ein ansprechendes und spannendes Programm, das dazu noch komplett umsonst ist. Organisiert von einem kleinen Vorbereitungsteam und lediglich finanziert aus Spenden, Stiftungsbeiträgen und Mitteln der studentischen Selbstverwaltung gelingt es seit inzwischen sechs Jahren mit Hilfe von Unterstützer*innen aus Stadtgruppen, studentischen Initiativen und überregionalen Kontexten ein Festival auf die Beine zu stellen, das mittlerweile sowohl eine feste Institution in Göttingen als auch weit darüber hinaus darstellt.

Als Festival mit einem explizit antisexistischen Selbstverständnis möchte das Antifee sowohl feministische Politik fördern und öffentlich machen, als auch eine Plattform für Debatten, Kontroversen und Diskussionen bieten. Auch andere Formen gesellschaftlicher Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt sollen auf dem Festival kritisch hinterfragt und betrachtet werden. Dementsprechend haben auch Themen wie etwa Nationalismuskritik oder Antirassismus ihren festen Platz im Programm.

Auf dem Antifee gibt es nicht nur Konzerte – mindestens genauso wichtig sind die zahlreichen Workshops, Vorträge, Lesungen, Podiumsdiskussionen & Gesprächsrunden, Filme und Ausstellungen. So finden 2012 Workshops u.a. zu den Themen „Sexismuskritische Praxen“, „Antisemitismus von links“ oder „Polyamorie“ statt. Musik gibt es z.B. von der Berliner Rapperin Sookee, der Sängerin Ira Atari vom Label Audiolith oder Bell’s Roar aus New York. Aber auch abseits vom Programm des Festivals lassen sich gute Gespräche mit netten Menschen führen.

Damit es möglichst vielen Menschen gut geht auf dem Antifee wird ein großer Schwerpunkt auf die Umsetzung antisexistischer Praxis gelegt. So gibt es ein FLT*-Zelt, eine Ansprech-/Awarenessgruppe und ein antisexistisches Sicherheitskonzept.

Selbstverständnis 2012:
Das Antifee hat sich in diesem Jahr den Untertitel „Festival für feministische Gesellschaftskritik“ gegeben. Wir wollen bewusst den Fokus auf feministische Kritik legen, weil es sich bei Geschlechterverhältnissen und den damit verbundenen gesellschaftlichen Widersprüchen und Konsequenzen eben nicht um einen Nebenwiderspruch handelt! Geschlechtsbezogene Herrschaftsverhältnisse und ihre Konsequenzen in politischen Kontexten und auf individueller Ebene sind sowohl soziale Praxis als auch Ergebnis gesellschaftlicher Strukturierung. Deswegen ist Geschlecht mit gesellschaftlichen Strukturen verwoben und unsere feministische Kritik geht deswegen notwendig mit einer Kritik an Nation und ökonomischen Verhältnissen einher. Einen feministischen Schwerpunkt zu formulieren, schließt für uns z.B. eine antirassistische und nationalismuskritische Perspektive keinesfalls aus.

Bei unserer Auseinandersetzung mit dem Begriff Feminismus bzw. feministisch wurde deutlich, dass der Zugang dazu oft durch eigene Erfahrungen mit struktureller oder direkter Gewalt motiviert ist. Im Plenum gibt es dementsprechend ein heterogenes Verständnis davon, was Feminismus eigentlich ist. Einig waren wir uns darin, dass die bestehende Gesellschaft nicht das schöne Leben bietet, das wir uns wünschen und dass es darüberhinaus innerhalb der gegenwärtigen Zustände überaus gewaltvolle Dynamiken gibt. Feminismus ist für uns die konkrete Auseinandersetzung mit Gesellschaft, die Kritik des herrschenden Zustandes sowie das Erkennen und Skandalisieren geschlechtsbezogener Ressentiments und Ausschlüsse aus der Gesellschaft. Der Fokus auf bestimmte Aspekte, Ursachen und Erscheinungsformen von sowie den Umgang mit geschlechtsbezogener Diskriminierung ist unterschiedlich und teilweise widersprüchlich. Feminismus bedeutet für uns diese verschiedenen Ansätze, Debatten und Widersprüche nicht glattzubügeln, sondern sie neu auszuhandeln, zu diskutieren und zu reflektieren. Dafür soll das Antifee den Raum bieten. Wir wenden uns aber gleichzeitig gegen regressive Tendenzen, die unter dem Label Feminismus biologistische Argumentationen verbreiten.

Wir begreifen das Festival als Versuch feministischer Praxis, wollen allerdings Theorie und Praxis nicht losgelöst voneinander betrachten und sind uns gleichzeitig deren schwierigen Verhältnisses bewusst. Denn was in der Theorie erkannt wird, kann praktisch nicht deckungsgleich umgesetzt werden.
Auf unseren Plakaten steht in diesem Jahr “für antisexistische Theorie & Praxis”! Das bedeutet, dass es nicht nur unser Anspruch ist Inhalte zu vermitteln, Debatten zu eröffnen und weiterzutragen sowie politischen Diskursen einen öffentlichen Raum zu bieten. Wir wollen außerdem ganz praktisch einen Beitrag zur Selbstermächtigung von diskriminierten und marginalisierten Gruppen leisten, indem sie die Chance haben auf dem Festival aufzutreten. Zudem sind uns bestimmte Standards antisexistischer Praxis wichtig.

Auf dem Antifee sollen theoretische Inhalte vermittelt werden. Durch Vorträge, Diskussionen, zahlreiche Workshops und vieles mehr stellen wir ein Bildungsangebot zur Verfügung. Wir wollen insbesondere für Geschlechterverhältnisse sensibilisieren und zur Hinterfragung anregen. Daher verstehen wir das Antifee als Ort der Wissensweitergabe und -aneignung. Auf Grundlage theoretischer Auseinandersetzung soll es eine praktische Beschäftigung mit feministischen Themen geben. Feministische Praxis heißt für uns nicht nur, dass möglichst viele sich mit Geschlechterverhältnissen auseinandersetzen, sondern dass vor allem die Menschen Spaß haben, die sich notgedrungen damit auseinandersetzen mussten.

Der Grundgedanke hinter der antisexistischen Praxis auf dem Festival ist, nicht nur, aber vor allem Menschen, deren öffentliches Engagement durch strukturelle Machtverhältnisse häufig erschwert oder verhindert wird, die Möglichkeit zu geben vor größerem Publikum aufzutreten, einen Workshop zu halten oder einfach ein Festival zu besuchen auf dem sie keine Angst vor blöden Sprüchen, Anmachen oder sonstigen Übergriffen haben müssen. Deshalb legen wir Wert darauf viele Bands und Referent*innen einzuladen, die allzu oft dazu gezwungen sind, sich öffentlichen Raum erkämpfen zu müssen. Aus diesem Grund soll der Dominanz hegemonialer Männlichkeit entgegengewirkt werden.
Wichtig ist es uns außerdem, dass wir einen Raum schaffen, in dem sich Menschen möglichst sicher vor sexistischen/gewaltvollen Übergriffen fühlen und sich darauf verlassen können, dass wir einen guten, angemessenen Umgang damit finden, falls doch etwas passieren sollte. Deswegen gilt auf dem Antifee Definitionsmacht! Um diese durchsetzen zu können sind eine antisexistische Ansprechgruppe und ein antisexistisches Sicherheitskonzept wichtiger Bestandteil des Festivals. Das Antifee soll ein Schutzraum sein, in dem versucht wird, die unterschiedlichsten Diskriminierungsverhältnisse einzudämmen. Wir gehen dabei von einem positiven Raumbegriff aus, der den Fokus nicht auf Bestrafung, Kontrolle und Ausschluss legt, sondern auf einen solidarischen Umgang mit denjenigen, die von grenzüberschreitendem Verhalten betroffen sind.

Das Antifee ist Teil linker Strukturen, Debatten und Widersprüche und viele der Organisator*innen, Künstler*innen, Referent*innen, etc. kommen aus linken Zusammenhängen. Wir wollen eine Plattform für linke und linksradikale Politik bieten und dabei auch diejenigen erreichen, die sich bisher nur wenig mit solcher auseinandergesetzt haben. Dabei ist es uns wichtig zu betonen, dass wir vieles gut finden, was in der linken Szene passiert oder diskutiert wird. Aber wir mögen längst nicht alles, was sich links labelt, und haben keine Lust auf antifeministische, antisemitische, sexistische oder sonstwie reaktionäre Kackscheisse auf dem Festival - auch keine linke!
Mit dem Antifee machen wir Bündnispolitik. Es haben sich verschiedenste Menschen zusammengefunden mit dem Ziel ein feministisches Festival auf die Beine zu stellen. Außerdem ist das Antifee mit vielen unterschiedlichen Gruppen und Initiativen innerhalb Göttingens sowie überregional vernetzt.

Organisiert wird das Antifee wieder von einem kleinen Kreis, dem Antifee-Plenum, und zusätzlich vielen Personen, die sich vor, während und/oder nach dem Festival einbringen. Alle arbeiten ehrenamtlich und nicht professionell. Wir verstehen das Antifee als selbstorganisiert in dem Sinne, dass einzelne das Festival erfahren und gestalten, sich Wissen aneignen und sich des Raumes ermächtigen. Wir haben uns kritisch mit Begriffen wie Selbstorganisation oder DIY auseinandergesetzt und sind uns zum Teil uneinig inwiefern wir diese besetzen wollen und ob sie als Label für die Struktur des Antifees sinnvoll sind. In diesem Zusammenhang war es uns außerdem ein Anliegen unsere eigene Position zu reflektieren. Wir sind uns darüber bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit darstellt, dass wir die Möglichkeit, das Wissen und den Background haben mit dem wir ein feministisches Festival organisieren können. Diese Privilegiertheit wollen wir weder verdammen noch hinter sie zurückfallen, haben aber versucht sie im Prozess der Organisation und Vorbereitung stets mitzudenken und kritisch zu hinterfragen.

In diesem Sinne soll das Antifee möglichst viel für möglichst viele und prinzipiell offen für alle sein, die sich beteiligen möchten. Auf dem Antifee gibt es Politik, Kunst, Spaß, Kultur, Musik und vieles andere. Das diesjährige Plenum setzt seine eigenen Schwerpunkte und hat seine eigenen Ideen von der konkreten Umsetzung des Festivals, es steht aber auch in der Kontinuität von sechs Jahren Antifee und greift auf Strukturen, Infrastruktur und Kontakte der letzten Jahre zurück. Wie jedes Jahr ist das Festival eintrittsfrei. Wir sind uns darüber bewusst, dass es auch uns nicht möglich ist, alle Hürden für alle Menschen abzubauen. Wir bemühen uns aber um eine möglichst niedrigschwellige und barrierefreie Gestaltung ohne dabei hinter unseren feministischen & gesellschaftskritischen Anspruch zurückzufallen, damit möglichst viele Menschen ein großartiges Antifee 2012 erleben.

Location

UnicampusGöttingen
Germany
51° 32' 18.0672" N, 9° 55' 46.884" E
Names of Producers/organizers/editors/creators: 
Antifee collective
Date: 
06/15/2012 - 06/16/2012
Topic: 
Activism
Anti-Imperialism
Art
Do-It-Yourself
Global affairs & transnationalism
Ladyfest
LGBT and queer issues
Migration & border issues
Political participation
Pop culture
Race & ethnicity